THE FALL gehören heute zum Post Punk Movement, im Jahre der Bandgründung gab es diesen verwässernden Begriff noch nicht, damals (1979) wurde alles, das nicht der Rubrik Rock oder Punk entsprach, zur vor allem im United Kingdom allseits präsenten New Wave gezählt. Bands und Musiker vermischten die bis dato gängigen Musikstile – teils sehr abenteuerlich und experimentell – und legten so den Grundstein für die folgenden Crossover-Jahrzehnte. Mark E. Smith war der Chef der britischen Gruppe, die im März 1979 ihr Debüt Album „Live At The Witch Trials“ veröffentlichte – sein hypnotischer Sing-Sang hört sich an wie ein Mashup aus „Sex Pistols“ und „Oasis“, die ja ebenfalls wie THE FALL ihren Sitz im leider mittlerweile “guardiola-verseuchten” Manchester haben sollten. Das Debüt ist (wie das ebenfalls 1979 etwas später veröffentlichte Album „Dragnet“) im Frühsommer mit einer Deluxe Re-Issue bedacht worden, die zwei Bonus CDs beinhaltet mit raren Takes, Single-B-Seiten und diversen Live-Sessions. Die 11 originalen Songs der ersten Disc klingen nostalgisch alternativ im Sound der Spät-70er, auch dem schön-schaurig-schrägen Gitarrenspiel von Martin Bramah geschuldet, der sich leider mit Drummer Karl Burns nach dem Debüt Album aus der Band verabschiedet hat, um eigene Wege zu gehen. Kurz danach hat der Gitarrist die Formation “Blue Orchids” gegründet, die auch heute noch aktiv ist.
Disc 2 beinhaltet die noch vor dem Debüt Album veröffentlichte erste EP „Bingo-Master’s Break Out!“ Die 3 Stücke sind noch eher am Punk orientiert als die 11 Songs des ein halbes Jahr später veröffentlichten Debüts. Im Lineup damals noch Bassist Tony Friel und Keyboarderin Una Baines, die Gegenstand der zunehmenden Unstimmigkeiten zwischen Smith und Bramah gewesen sein soll und wegen der der Gitarrist dann auch letztenendes angeblich aus „The Fall“ ausgestiegen ist. Wie es der „Zufall“ wollte, spielten Baines und Bramah später bei den schon genannten „Blue Orchids“. Musikalisch wird ein Mix aus „Pistols“ und frivoler „Plastic Ono Band“-Eleganz geboten mit dem Highlight „Psycho Mafia“. Auch die nachfolgende 1978er Single „It’s The New Thing“ gibt es samt der B-Seite „Various Times“ zu hören, der Rest besteht aus raren Rehearsal-Aufnahmen und diversen aufgenommenen Live-Sessions. Für eingefleischte „The Fall“-Fans natürlich ein Must-Have für die eigene Kollektion, für HiFi-Fetischisten nicht empfehlenswert dagegen, weil der eine oder andere Song nicht gerade – weil mit den damals handelsüblichen Billigcassettenrecordern mitgeschnitten – mit gutem Sound besticht, was aber a) den Die-Hard-Collektor nicht sonderlich stören dürfte und b) den authentischen Garagencharakter wesentlich erhöht.
Am 22. August 1978 waren THE FALL zu Gast im Ende der 70er Jahre angesagten Liverpooler Club „Mr. Pickwick’s“, das komplette Konzert der Band gibt es auf Disc 3 der „Expanded Special Edition“ zu hören. Auch hier sollten Fans klangtechnisch keine Wunder erwarten, der Auftritt wurde über das Mischpult mitgeschnitten, vom anwesenden Publikum ist nichts zu hören, die Musik klingt wie ein besseres Demo, die ungehobelte Energie eines Live-Gigs fehlt leider gänzlich. Der Auftritt ist 2001 schon mal als CD mit dem Titel „Liverpool 78“ veröffentlicht worden, damals vom von Mark E. Smith gegründeten gruppeneigenen Label „Coc Sinister“. Besonderheit: Bassist Marc Riley reißt sich im „Psycho Mafia“ eine Saite und wird danach von Chef Smith bei der Ansage des nächsten Stücks als der erste Avantgarde Bassist mit nur 3 Saiten verherrlicht.
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