Möwengebrüll zwitschert zu Beginn des Doppel Albums „Shocking Blue – The Golden Years Of Dutch Pop Music (A&B Sides And More)“, das sämtliche Singles mit A- und B-Seiten der Ende der 60er und bis Anfang der 70er Jahre erfolgreichen und beliebten Rock-Pop-Gruppe SHOCKING BLUE zusammenfasst. Die Band ist 1967 in Den Haag gegründet worden und hatte ihre beste Phase Ende der 60er mit diversen Chart Hits, allen voran der Kult Rocker „Venus“, der auch heute noch im Radio und auf zahlreichen Partys abgefeiert wird und in den 80er Jahren von der britischen Girl Group „Bananarama“ wiederbelebt worden ist. In den ersten beiden Jahren stand in dem vom Gitarristen Robbie Van Leeuwen zusammengestellten Quartett der Sänger Fred De Wilde am Mikrofon, danach übernahm Mariska Veres die vakant gewordene Stelle und war von da an auch das markanteste Aushängeschild der niederländischen Rocker, deren Musik aus einer gelungenen Symbiose aus eingängigen Pop Strukturen und den damals modernen psychedelischen Rockelementen bestand. 1974 war schon wieder Schluß für die Band, die mittlerweile laut US Billboard Magazin über 13 Millionen Exemplare ihrer Platten verkauft hatte. Mariska Veres startete eine mehr oder weniger unerhebliche Solokarriere, ihre Vinyl-Singles tauchten viel später auf den Wühltischen der Billigkaufhausketten auf. Der am 29. Oktober 1944 geborene Songwriter Van Leeuwen ist heute 73 Jahre alt, immer wieder mal hatte er diverse Versuche unternommen, die Band zu reformieren, es blieb bei Konzertauftritten bei nostalgischen Rock Festivals – ein in den 90er Jahren geplantes Comeback-Album ist allerdings nie veröffentlicht worden, obwohl die Niederländer aufgrund einer furiosen von „Nirwana“ gespielte Cover Version des Shocking-Blue-Songs „Love Buzz“ wieder in aller Munde waren. Im Frühjahr 2017 ist dieses Doppel-Album mit leicht verändertem Tracklisting als Bestandteil der hochwertigen 13er CD-Box „The Blue Box“ wieder veröffentlicht worden, mit dem einzigen Unterschied, dass es dort den zusätzlichen Titel “Louise” gibt. Highlights des hier vorgestellten Albums sind „Send Me A Postcard“ (die erste von MV gesungene Single), “Hot Sand” (DER Jukebox-Knaller aller Bahnhofskneipen im Jahr 1969 als B-Seite der Hit Single “Venus”), “Mighty Joe”, “Roll Engine Roll” (B-Seite von “Never Marry A Railroad Man”), “Pickin’ Tomatoes” (B-Seite “Hello Darkness”), die dazu gehörige großartig gesungene A-Seite, das funk-rockige “Let Me Carry Your Bag” und “Oh Lord” vom 73er vorletzten Band-Album “Ham”. Die späteren Lieder der Band zeigten dann aber leider auch, dass so langsam die guten Song-Ideen ausgingen, was aber auch kein Wunder war, in welchem kurzem Zeitraum die erfolgreichen Hit Singles veröffentlicht worden waren. Seinerzeit wurden die Acts von den Tonträgerfirmen in kürzester Zeit ausgepresst wie eine Zitrone und wenn der Kompositionsstrom einmal versiegt war, auch sehr schnell fallen gelassen. Und eines konnten die Band und Mariska Veres überhaupt nicht: Nämlich den Blues - wie die lahme Inszenierung auf der B-Seite “Everything That’s Mine” beispielhaft zeigt. Und wer bisher nur die großen Hits der Band in den 60ern und 70ern kannte, für den dürfte das im hardrockigen Kleid der 80er Jahre steckende “The Jury And the Judge”, in dem Gitarrist Leuwen mit knalligen Midi-Gitarren-Effekten nur so um sich wirft, gewöhnungsbedürftig sein. Aus den 90ern gibt es die Comeback-Single “Body And Soul (B-Side “Angel”) und spätestens hier wird klar, warum die Reunion der Gruppe nicht mit Erfolg gekrönt war, weil SHOCKING BLUE hier nur noch wie eine billige Kopie der damals erfolgreichen Band “Four Non Blondes” klangen. Eine Frage muss ebenfalls erlaubt sein: Warum gibt es auf diesem Doppel-Album nicht die 1974 veröffentlichte sehr gute Single “Ball Of Confusion” vom finalen “Shocking-Blue” Album “Good Times”?
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